Wenn Sanis ins Manöver zieh'n

Autor
Peter Hamm

Ich kann mich auch heute noch sehr gut daran erinnern, als wir Anfang der 80er Jahre in Grafenwöhr auf dem Truppenübungsplatz zum Manöver waren. Unsere Feldübung ging allmählich zu Ende und es war unser letzter Manövertag. Unsere Panzerpionierkompanie hatte sich in den letzten Tagen wacker gehalten und konnte vom "Feind" unerkannt in ihrem Versteck ausharren. Als die Dunkelheit langsam hereinbrach und sich der Tag dem Ende zuneigte, wurde uns der Marschbefehl erteilt. Wir brachen unser Lager ab und lösten unsere bisherige Stellung auf. Wir bestiegen unsere Manöverfahrzeuge und fuhren in einer geordneten Kolonne unserem neuen Ziel entgegen. Unser Hauptmann Goette fuhr an der Spitze der Kolonne, während ich als Santruppführer mit meinem Fahrzeug direkt hinter ihm aufschloss. Dies geschah auf seinen ausdrücklichen Befehl hin und ich grübelte eine gewisse Zeit darüber nach, warum er dies so wollte. Üblicherweise befindet sich der Santruppführer mit seinem Fahrzeug nicht am Anfang, sondern beinahe am Ende der Kolonne. Plötzlich stoppte Hauptmann Goette unsere Manöverkolonne und signalisierte mir, dass ich zu ihm nach vorne kommen möge. Als ich nun vor ihm stand, eröffnete er mir, dass wir wahrscheinlich "Feindberührung" haben und dass ich ein Stück nach vorne fahren solle, um nach dem "Feind" Ausschau zu halten! Ich übernahm diese Aufgabe, aber hatte doch ein recht mulmiges Gefühl in der Magengrube, da mir bewusst war, dass das Ausspähen des Feindes nicht gerade zu meinen Aufgaben als Santruppführer gehörte. Aber aus lauter Gutmütigkeit stieg ich in mein Sanitätsfahrzeug, das mittels eines Rotkreuz-Emblems auf der Motorhaube als ein solches gekennzeichnet war, und fuhr los. ich kam jedoch nur gut 50 Meter weit, als ein Jeep am Horizont auftauchte und sich mir näherte. In diesem Augenblick überkam mich ein Moment der Unsicherheit und ich stoppte mein Fahrzeug. Ich drehte mich nach Hauptmann Goette um, damit ich sehen konnte, ob er mir vielleicht ein Zeichen geben würde. Doch dieser stieg rasch zusammen mit seinem Chauffeur in sein Fahrzeug und rauschte davon. Zunächst ging ich davon aus, dass er wohl einen wichtigen Funkspruch erhalten hatte und wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als der andere Jeep neben mir anhielt. Jetzt erkannte ich, dass dieser Jeep zum Tross der Manöverleitung gehörte, die ständig kontrollierte, dass die Feldübung auch gemäß den Vorschriften abgehalten wurde. Es stieg eine Person aus und ich konnte an seinen Abzeichen und an seiner Dienstkleidung sofort erkennen, dass es sich um einen Oberst handelte. Er fuhr mich im barschen Ton an und fragte, was ich denn direkt an der Front mache und wo der Führer unseres Manövertrupps sei! Ich kam zunächst nicht ganz mit, was die Aufregung sollte, aber mir wurde schnell klar, dass wohl etwas falsch gelaufen war. Ich grüßte den Oberst vorschriftsmäßig und freundlich und teilte ihm mit, dass ich einen Befehl unseres Hauptmanns ausführe, der mich nach vorne beordert hatte. Während ich dies sagte drehte ich mich um, zeigte in Richtung des davonfahrenden Fahrzeugs unseres Hauptmanns und sagte, dass er da vorne gerade wegfährt. Der Oberst begann stark zu atmen und brummelte etwas vor sich hin. Dann stieg er in seinen Jeep und fuhr dem Fahrzeug unseres Hauptmanns hinterher. Ob er ihn noch erwischt hat, daran kann ich mich heute nicht mehr erinnern.....aber wenn, kann ich mir den Verlauf des Gesprächs gut vorstellen.....

Am gleichen Abend bekam ich auch noch den Befehl, zur Gruppe von Oberfeldwebel Starz zu fahren, um mich um jemanden aus seinem Trupp zu kümmern, der gesundheitliche Probleme hatte. Ich war damals jedoch nicht so richtig gut im Lesen von Land- und Straßenkarten, so dass ich mich in der Dunkelheit total verfuhr. Plötzlich stand ich vor einer geschlossenen Schranke und konnte nicht mehr weiter fahren. Ich drehte um und bog einmal nach links und einmal nach rechts ab. Nun standen zwei Soldaten mitten auf der Straße und gaben mir ein Signal, dass ich mein Fahrzeug stoppen sollte. Ich wusste nicht mehr, wo ich war und ich wusste auch nicht mehr, ob das Manöver noch stattfand oder nicht. So fuhr ich auf die beiden Soldaten zu und gab Gas. Die beiden sprangen von der Straße in den Graben und ich fuhr schnell an den beiden vorbei. Ein paar Minuten später drosselte ich meine Geschwindigkeit und bog in einen Seitenweg ein. Dort parkte ich mein Fahrzeug gut getarnt hinter einem Busch und schlief nach kurzer Zeit völlig übermüdet ein. So gegen 11:00 Uhr am nächsten Morgen wachte ich auf und verschaffte mir ein wenig Orientierung. Ich musste feststellen, dass ich mich mitten im "Feindesland" befand. Doch das Manöver war bereits weitgehendst vorbei und keiner der Soldaten achtete noch auf mich. Nicht wenige Manöverteilnehmer waren bereits in der Nacht wieder abgereist. ich begab mich auf die Suche nach meiner Kompanie, jedoch konnte ich diese nicht finden. So fasste ich den Entschluss, alleine in unsere Kaserne nach Ellwangen zurückzufahren. Unterwegs begegnete ich vielen Fahrzeugkolonnen und fragte immer wieder nach meiner Kompanie, doch niemand hatte diese gesehen. Kurz vor dem Ort Schrezheim (1 km vorm Kasernentor !) konnte ich schließlich doch noch meine Einheit erreichen und schloss mich dieser als letztes Fahrzeug an. Alles hatte somit den Anschein, dass ich die Nachhut bildete und schon die ganze Zeit und die ganze Strecke brav mitgefahren war. So kam ich doch noch mit einem blauen Auge davon und tat so, als ob nichts gewesen sei....